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"Fremd bin ich den Menschen dort" - Details zur Ausstellung

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"Fremd bin ich den Menschen dort" – Ein Blick in die Sammlungen des Deutschen Exilarchivs 1933 - 1945 und des Deutschen Literaturarchivs Marbach

Schirmherrschaft: Herta Müller

Anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Deutschen Nationalbibliothek zeigt das Deutsche Exilarchiv 1933 - 1945 vom 30. August bis zum 20. Oktober 2012 die Ausstellung "Fremd bin ich den Menschen dort". Anhand von Exponaten aus der Sammlung des Exilarchivs, darunter bislang noch nicht gezeigte Objekte und Dokumente sowie Bild-, Ton- und Filmaufnahmen, gibt die Ausstellung Einblick in 16 sehr unterschiedliche Biografien.

Heimatverlust, Verhaftetbleiben in der alten Kultur, Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit, das Schicksal der geraubten Karriere oder die gelungene Akkulturation und berufliche Chance im Aufnahmeland - jede Biografie verdeutlicht unterschiedliche Aspekte von Exil und Emigration. Wie die Emigration im Einzelfall verlief, war von vielen Faktoren abhängig, dies zeigen die Biografien deutlich: Beruf und wissenschaftliche Disziplin, Alter, Herkunft, Erlebnisse in NS-Deutschland, Zeitpunkt der Emigration, Aufnahmeland, persönliche Möglichkeiten und nicht zuletzt Zufall bestimmten den Verlauf.

Vier der 16 vorgestellten Personen stammten ursprünglich aus Frankfurt oder fanden später dort ihren Lebensmittelpunkt: Ernst Loewy, der als Jugendlicher nach Palästina emigrierte und nach seiner Rückkehr nach Deutschland ab 1957 in Frankfurt lebte; der Finanzwissenschaftler Fritz Neumark, bis 1933 als Professor an der Universität in Frankfurt am Main tätig, der in die Türkei emigrierte und in Istanbul eine Professur innehatte. Ab 1952 lehrte er an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, deren Rektor er wurde; die Dichterin Emma Kann. Ihr Lebensweg führte sie von Frankfurt nach Großbritannien, Belgien, Frankreich, Kuba bis in die USA, bevor sie 1981 wieder nach Deutschland zurückkehrte. Der Titel der Ausstellung "Fremd bin ich den Menschen dort" stammt aus ihrem Gedicht "Heimatlos", das sie 1933 verfasste; die Publizistin Margarete Buber-Neumann, die zunächst in der Sowjetunion Aufnahme fand. Im Zuge der sogenannten "Stalinistischen Säuberungen" wurde sie dort zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt und nach Abschluss des "Hitler-Stalin-Paktes" an das "Deutsche Reich" ausgeliefert und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert. In ihren Büchern, als Zeugin in politischen Prozessen und in zahlreichen Vorträgen warnte sie vor jeder Form des Totalitarismus.

Rund 230 Original-Exponate aus dem Bestand des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 werden präsentiert. Darunter z.B. die Collage „Land des Lächelns“, die der Verleger Leon Hirsch als Persiflage auf den Nationalsozialismus 1933 als Unikat herstellte; der Koffer, mit dem Ernst Loewy als knapp 16-Jähriger mit der Jugend-Alijah nach Palästina emigrierte; Zeichnungen, Postkarten, Tagebücher aus britischen Internierungslagern; Pässe, Zeugnisse und Urkunden; Manuskripte, darunter Richard A. Bermanns „Tagebuch von der Saharafahrt“ und Leo Perutz‘ „Meisels Gut“.

Das Motiv der Ausstellung entstammt einer handgearbeiteten Tasche, auf der Irma Lange ihren Weg vom Tribunal über die Inhaftierung im „Holloway“, dem Frauengefängnis in London, bis zur Internierung auf der Isle of Man in Stickereien und Filzapplikationen nachgezeichnet hat.

Die Gestaltung der Ausstellung hat das Architektenbüro unodue{architektur, München, übernommen. „Die Besucher finden sich in einem offenen Raum ohne architektonische Hierarchien wieder, von oben betrachtet wirken die Vitrinen wie treibende Schollen, ohne nachvollziehbare Richtung, nur gruppiert um einen zentralen Tisch der die vorgestellten Persönlichkeiten verortet. Der Besucher findet auf seinem Weg durch die Biografien keinen Halt durch einen roten Faden, eine Chronologie oder eine andere innere Ordnung, sondern er muss immer wieder selbst entscheiden, wohin er sich bewegt. Es ist durchaus gewollt, dass der Besucher sich möglicherweise ‚verläuft‘ und an verschiedenen Virtrinentischen mehrmals ankommt. Die amorphe Form der Vitrinen verstärkt diese Anmutung im Detail und spiegelt wie die räumliche Disposition Suche, Halt-, Orientierungs- und Richtungslosigkeit. Nur innerhalb der Vitrine selbst, in der Einzelbiografie, sind die Lebenslinien geordnet. Die vorgestellten Persönlichkeiten sind im Raum präsent, sie blicken die Besucher an und vermitteln das Gefühl einer gewissen Zugehörigkeit - hier könnte auch ich stehen. Wie in einer Wartehalle, fremde Menschen zusammen, oberflächlich verbunden durch ihnen allen gleiche äußere Umstände. Gleichzeitig fordern die Personen die Besucher auf, sich auf sie einzulassen, „Generationenportraits“ bilden gleichsam die Lebenslinien ab. Das verwendete Material und dessen Oberflächen stehen für Einfachheit und Improvisation. Anlässlich des Jubiläums der Deutschen Nationalbibliothek war es ein besonderes Anliegen, so viele Originale wie möglich zu zeigen, Schätze des Deutschen Exilarchivs, das sich damit für die Besucher öffnet und mit dieser Ausstellung einen Teil seiner Arbeit präsentiert“, beschreiben die Architekten Constanza Puglisi und Florian Wenz die Gestaltung.

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