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Leipzig: Mittwoch, 30.04.2025

Die Lesesäle im Hauptgebäude der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig schließen wegen einer Veranstaltung um 14 Uhr. Der Museums- und der Musiklesesaal sowie der Servicebereich sind bis 18 Uhr geöffnet. Die Ausstellungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums sind von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Bermann Fischer, Gottfried

Gottfried Bermann wurde am 31. März 1897 in Gleiwitz (Oberschlesien) geboren. Er studierte Medizin und war anschließend zunächst als Assistenzarzt tätig. 1925 heiratete er Brigitte Fischer (geb. am 5. April 1905 in Berlin), die Tochter des Berliner Verlegers Samuel Fischer. Auf Wunsch seines Schwiegervaters trat er in dessen Verlagshaus ein und änderte seinen Namen zu Gottfried Bermann Fischer. Nach Samuel Fischers Tod im Jahr 1934 übernahm er mit seiner Frau die Leitung des Verlags.

Gottfried und Brigitte Bermann Fischer waren jüdischer Herkunft. 1935 übersiedelten sie aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung nach Wien. Dabei gelang es Gottfried Bermann Fischer, mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda eine Vereinbarung über die Aufteilung des S. Fischer Verlags zu treffen: Während ein Teil des Verlags unter der Leitung von Peter Suhrkamp im Deutschen Reich verblieb, konnte Bermann Fischer mit einem zweiten Teil in Wien die „Bermann-Fischer Verlags GmbH“ gründen.

Im März 1938, unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs, floh Bermann Fischer mit seiner Familie über die Schweiz nach Schweden, wo er den Bermann-Fischer-Verlag ein weiteres Mal neu gründete. Seinen privaten Besitz und das Bücherlager des Wiener Verlages musste er bei seiner Flucht in Österreich zurücklassen. 1940 wurde er infolge einer Verhaftung aus Schweden ausgewiesen und emigrierte mit seiner Familie in die USA. Nach Kriegsende gründete er den S. Fischer-Verlag in Berlin und Frankfurt neu und leitete ihn bis 1962. Er verstarb 1995 in Italien.

Im Bestand der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig konnten 20 Publikationen aus dem früheren Eigentum von Gottfried Bermann Fischer identifiziert werden. Der Großteil dieser Schriften gelangte 1938/39 über die Bücherverwertungsstelle Wien in die Deutsche Bücherei Leipzig. Albert Paust, der im September 1938 von der Deutschen Bücherei an die Bücherverwertungsstelle abgeordnet worden war, scheint den Abtransport von Bermann Fischers Privatbibliothek aus dessen Wohnung im Wiener Stadtteil Hietzing persönlich beaufsichtigt zu haben: In einem Bericht an den Generaldirektor der Deutschen Bücherei, Heinrich Uhlendahl, erwähnt er ausdrücklich die seltenen Privatdrucke, die er in Bermann Fischers Bibliothek gefunden habe. Die Deutsche Bücherei war jedoch nicht die alleinige Empfängerin der beschlagnahmten Privatbibliothek: Auch die Österreichische Nationalbibliothek in Wien übernahm Bücher aus dem Eigentum von Gottfried Bermann Fischer in ihren Bestand. Weitere Bücher fanden sich nach Kriegsende in der sogenannten „Sammlung Tanzenberg“, einem Bücherdepot des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg. Dass Bücher aus der Privatbibliothek auch in den antiquarischen Buchhandel gelangten, belegt schließlich der Befund, dass zwei der in der Deutschen Nationalbibliothek identifizierten Schriften nicht aus dem Erwerbungskontext der Bücherverwertungsstelle stammen, sondern erst in den 1960er Jahren als antiquarische Ankäufe in den Bestand aufgenommen wurden.

Die Deutsche Nationalbibliothek konnte Kontakt zu den Erb*innen nach Gottfried Bermann Fischer aufnehmen und einigte sich im Frühjahr 2023 mit ihnen über eine Rückgabe mit anschließendem Rückkauf. Die 20 Exemplare können somit im Bestand der Deutschen Nationalbibliothek verbleiben und sind – dem Wunsch der Erb*innen entsprechend – weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich.

Weiterführende Informationen:

Gottfried Bermann Fischer, Bedroht – Bewahrt. Der Weg eines Verlegers, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1994.

Sören Flachowsky, „Zeughaus für die Schwerter des Geistes“. Die Deutsche Bücherei Leipzig 1912-1945, Göttingen 2018.

Murray G. Hall und Christina Köstner, „…allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern…“ Eine österreichische Institution in der NS-Zeit, Wien: Böhlau 2006.

Irene Nawrocka, „Verlagssitz: Wien, Stockholm, New York, Amsterdam. Der Bermann-Fischer Verlag im Exil (1933-1950). Ein Abschnitt aus der Geschichte des S. Fischer Verlages“, in: Archiv für die Geschichte des Buchwesens 53 (2000), S. 1-210.

Irene Nawrocka (Hrsg.), Carl Zuckmayer – Gottfried Bermann Fischer: Briefwechsel. Mit den Briefen von Alice Herdan-Zuckmayer und Brigitte Bermann Fischer, Göttingen 2004.

Grit Nitzsche, „Die Bücherverwertungsstelle Wien“, in: Regine Dehnel (Hg.), Jüdischer Buchbesitz als Raubgut. Zweites Hannoversches Symposium, Frankfurt am Main 2005, S. 67-72.

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