Besucher*innen können ab sofort Zeitzeugenschaft für die Zukunft mitgestalten.
Photo: Theresia Biehl
KI für digitales interaktives Interview mit Inge Auerbacher muss trainiert werden.
Pressemitteilung vom 30. Oktober 2023
Ab 30. Oktober 2023 laden das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek und die USC Shoah Foundation - The Institute for Visual History and Education - dazu ein, das digitale interaktive Interview der Zeitzeugin Inge Auerbacher zu trainieren.
Seit September 2023 zeigt das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 die Ausstellung „Frag nach! Digitale interaktive Interviews mit Inge Auerbacher und Kurt S. Maier“, die sich den Lebensgeschichten und den Erinnerungen der Zeitzeugin Inge Auerbacher und des Zeitzeugen Kurt S. Maier widmet. Das Exilarchiv erprobt darin eine neue Form der digitalen Zeitzeug*innenschaft, mit der die Möglichkeit Zeitzeug*innen zu befragen für die Zukunft bewahrt werden soll. In der Ausstellung können Besuchende bereits jetzt mit dem digitalen interaktiven Interview von Kurt S. Maier in einen Dialog zu treten. Eine Spracherkennungssoftware wandelt dabei die verbal gestellten Fragen in Textdaten um. Mittels natural language processing werden die Fragen mit den Inhalten einer Datenbank abgeglichen. In der Folge wird die passende Antwortsequenz ausgespielt. Dafür hat das Interview einen umfangreichen Produktionsprozess durchlaufen, der für das Interview von Inge Auerbacher noch ansteht.
Damit es auch in Zukunft noch möglich sein wird, Inge Auerbacher nach ihrer Lebensgeschichte und ihren Erinnerungen zu fragen, muss die KI trainiert und verbessert werden, die später dafür sorgen wird, dass ein Dialog mit dem digitalen interaktiven Zeitzeugnis von Inge Auerbacher möglich ist. Das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 lädt Schulklassen und andere interessierte Gruppen, aber auch Einzelpersonen ein, einen ersten Blick auf das interaktive Zeitzeugnis zu werfen, es zu testen und an seiner Verbesserung mitzuwirken. Dies ist entweder vor Ort in der Ausstellung möglich oder nach einer Registrierung online unter www.fragnach.org.
Inge Auerbacher wurde 1934 in Kippenheim geboren. Im August 1942 wurde sie zusammen mit ihren Eltern nach Theresienstadt deportiert. Dort blieb die Familie bis zur Befreiung am 8. Mai 1945 inhaftiert. Im Mai 1946 emigrierten Inge Auerbacher und ihre Eltern in die USA. Das Interview für das digitale interaktive Zeitzeugnis von Inge Auerbacher wurde im Oktober 2022 an insgesamt fünf Tagen in einem New Yorker Studio aufgezeichnet. Dr. Sylvia Asmus, die Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933-1945, stellte Inge Auerbacher während des Interviews über 900 Fragen zu ihrem Leben.
Die digitalen interaktiven Zeitzeugnisse von Inge Auerbacher und Kurt S. Maier sind Teil des Programmes Dimensions in Testimony der USC Shoah Foundation und wurden mit dem Ziel entwickelt, dass die Geschichten der Zeitzeug*innen der Shoah auch künftige Generationen erreichen. Mit eigens dafür aufgezeichneten Interviews ermöglicht Dimensions in Testimony, mit Zeitzeug*innen in eine Frage-Antwort-Interaktion zu treten. Diese Interaktivität ist ein integraler Bestandteil der Erfahrung von Dimensions in Testimony, denn die Aussage der Zeitzeug*innen wird erst dann aktiviert, wenn zuvor eine Frage gestellt wurde. Dimensions in Testimony ist das weltweit erste Projekt dieser Art.
Das Projekt wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Land Hessen im Rahmen des Programms „Hessen aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“.
Frag nach! – Die interaktiven Zeitzeugnisse von Inge Auerbacher und Kurt S. Maier
Eine Ausstellung des Deutschen Exilarchivs 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek
Montag - Freitag 9:00 – 21:30 Uhr
Samstag 10:00 – 17:30 Uhr
An Sonn- und Feiertagen geschlossen, außerdem in der Zeit vom 24.12. bis 31.12.2023
Der Eintritt in die Ausstellung ist frei.
Die Interaktion mit den digitalen Zeitzeugnissen ist moderiert möglich. Termine dafür können vereinbart werden per Mail an exilarchiv@dnb.de oder telefonisch unter +49 69 1525 -1994 oder -1996.
Das Training des digitalen interaktiven Interviews von Inge Auerbacher findet ab Ende Oktober immer dienstags statt (Dauer jeweils ca. 90 Minuten):
Dienstag 31.10. 15 Uhr / Dienstag 7.11. 17:30 Uhr / Dienstag 14.11. 15 Uhr / Dienstag 21.11. 17:30 Uhr / Dienstag 28.11. 15 Uhr / Dienstag 5.12. 17:30 Uhr / Dienstag 12.12. 15 Uhr / Dienstag 19.12. 17:30 Uhr
Informationen zur Ausstellung und Registrierung für die Online-Interaktion mit den digitalen interaktiven Zeitzeugnissen von Inge Auerbacher (Vorab-Version) und Kurt S. Maier: www.fragnach.org
Hintergrund
Über das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek
Das Deutsche Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek ist ein Ort der Auseinandersetzung mit den Themen Exil und Emigration während der Zeit des Nationalsozialismus. Das Archiv sammelt Zeugnisse dieses Exils: Publikationen, institutionelle und persönliche Nachlässe – berufsübergreifend und unabhängig von der Prominenz einer Person. Ziel ist es, das Phänomen des Exils in seiner ganzen Breite zu erfassen und die Bestände zugänglich zu machen.
Die Gründung des Exilarchivs in der frühen Nachkriegszeit wurde von Exilierten selbst mitinitiiert, die darin ein Instrument der politischen Aufklärung sahen. Auch deshalb hat die kulturelle Vermittlungsarbeit für das Exilarchiv einen besonderen Stellenwert: Durch Ausstellungen, ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm und Publikationen wird die Vielschichtigkeit des Exils zwischen 1933 und 1945 vermittelt und damit ein wichtiger Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur geleistet.
Über die USC Shoah Foundation
Mit ihrem Visual-History-Archiv, dem preisgekrönten IWitness Education-Programm und der Forschungsarbeit des Center for Advanced Genocide Research fördert die „USC Shoah Foundation - The Institute for Visual History and Education“ Empathie, Verständnis und Respekt. USC Shoah Foundation erreicht seit nunmehr weit über zwanzig Jahren Millionen Menschen auf sechs Kontinenten von ihrem Sitz an der University of Southern California aus.
Weiterführende Informationen:
Biografie Dr. h.c. Inge Auerbacher
31. Dezember 1934: geboren in Kippenheim (Baden), Eltern sind Berthold und Regina Auerbacher
November 1938: Vater und Großvater werden in der Pogromnacht nach Dachau verschleppt und für mehrere Wochen inhaftiert.
1939 muss die Familie ihr Haus in Kippenheim verkaufen; sie ziehen zu den Großeltern Betty und Max Lauchheimer nach Jebenhausen.
Ab 1940 besucht Inge Auerbacher die jüdische Schule in Stuttgart
1. Dezember 1941: Die Großmutter wird nach Riga deportiert und dort ermordet
1941: Kurz nach der Deportation der Großmutter muss die Familie das Haus der Großeltern verlassen und wird in ein sog. „Judenhaus“ einquartiert.
Am 22. August 1942 wird Inge zusammen mit ihren Eltern nach Theresienstadt deportiert. Sie bleiben dort inhaftiert bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 8. Mai 1945.
Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Lager in Stuttgart kehrt die Familie Auerbacher wieder nach Jebenhausen zurück, kurz darauf folgt der Umzug nach Göppingen, wo sie bis zum Mai 1946 leben.
1946: Die Familie wandert in die USA aus
Kurz nach ihrer Ankunft in New York erkrankt Inge Auerbacher an Tuberkulose als Folge der Lagerhaft in Theresienstadt.
Ab 1948: Entlassung aus dem Krankenhaus, Schulunterricht zunächst zu Hause, dann vor Ort, unterbrochen durch gesundheitliche Rückschläge
1950: Abschluss der Junior High-School, Graduierung 1953, 1958 Bachelor of Science in Chemie. Inge Auerbacher arbeitet fortan als Chemikerin.
1953 erhält Inge Auerbacher die US-Amerikanische Staatsbürgerschaft.
1966: erster Besuch in ihrem Heimatort Kippenheim
1986 veröffentlicht sie ihre Kindheitserinnerungen „Ich bin ein Stern“, 1990 erscheint das Buch auch in deutscher Übersetzung. Es folgen weitere Publikationen, u.a. 2005 „Jenseits des gelben Sterns“
Bis heute ist Inge Auerbacher als Zeitzeugin tätig und erzählt vor allem Jugendlichen von ihrer Lebensgeschichte.
Inge Auerbacher erhält für ihr Engagement als Zeitzeugin und für die deutsch-jüdische Verständigung mehrere Auszeichnungen in Deutschland und den USA, unter anderem das Bundesverdienstkreuz.
Am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2022 sprach sie im Deutschen Bundestag. In ihrer Rede appellierte sie an die Menschen in Deutschland, sich dem Antisemitismus entgegenzustellen.
Oktober 2022: Inge Auerbacher wird für Dimensions in Testimony in New York interviewt.
Informationen zur Produktion von Dimensions in Testimony
Zeitzeug*innen, die im Rahmen von Dimensions in Testimony befragt werden, sitzen in einer Greenscreen-Umgebung vor Kameras und einem Mikrofon. Die interviewende Person stellt Fragen. Jede Antwort wird als separater Videoclip aufgezeichnet. Es können bis zu 2.000 Fragen gestellt und beantwortet werden. So entsteht eine Datenbank aus Antworten, die durch mündlich gestellte Fragen der Endnutzer*innen abgerufen werden können. Mit Hilfe von Spracherkennungs-Technologie wandelt das Dimensions in Testimony-System die gesprochenen Fragen in Suchbegriffe um. Das System ordnet die Suchbegriffe jeweils der Antwort des Zeitzeugen oder der Zeitzeugin zu, die am besten passt. Anschließend wird der zugehörige Videoclip abgespielt, sodass der Eindruck einer Gesprächssituation entstehen kann.
Das System protokolliert alle Fragen, die gestellt werden. Um die Genauigkeit des Systems zu verbessern, überprüfen entsprechend geschulte Mitarbeitende der USC Shoah Foundation regelmäßig die Systemprotokolle, um sicherzustellen, dass für jede Frage die passendste und im ursprünglichen Interviewkontext gegebene Antwort ausgewählt wurde. Bei Bedarf setzen die Mitarbeitenden den Link zur passenden Antwort von Hand. So verbessert sich die Qualität des Systems mit jeder gestellten Frage. Die Verbesserungen werden erst nach einigen Tagen oder Wochen wirksam.
Kontakt
Ansprechpartnerin
Dr. Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933-1945
Tel.: +49 69 1525-1900
s.asmus@dnb.de
Ansprechpartnerin bei der USC Shoah Foundation
Karen Jungblut
Director Emerita of Global Initiatives, USC Shoah Foundation
jungblut@usc.edu
Bilder
Bildmaterial zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit einer Berichterstattung.
Inge Auerbacher wurde vor einem Greenscreen und mit aufwendiger Technik interviewt.
Foto: Theresia Biehl
Die Leiterin des Exilarchivs 1933-1945, Dr. Sylvia Asmus interviewte Inge Auerbacher.
Foto: Theresia Biehl
Besucher*innen in der Ausstellung "Frag nach! Digitale interaktive Interviews mit Inge Auerbacher und Kurt S. Maier
Foto: Alexander Paul Englert
Kontakt: presse@dnb.de