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Kurt S. Maiers Lebensgeschichte als interaktives Zeitzeugnis

Kurt S. Maiers Lebensgeschichte als interaktives Zeitzeugnis. Erstes interaktives Zeitzeugnis zur Erfahrung des Exils im öffentlichen Beta-Test

Pressemitteilung vom 3. Mai 2022

Ab Mitte April 2022 laden das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek und die USC Shoah Foundation - The Institute for Visual History and Education - zum Beta-Test des interaktiven Zeitzeugnisses von Kurt S. Maier in die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt ein. Kurt S. Maier wurde 1930 in Kippenheim geboren und floh mit seinen Eltern als 11-Jähriger in die USA. Mit der Technik des interaktiven 3D-Zeitzeugnisses wird in der endgültigen Fassung der Eindruck einer realen Gesprächssituation erzeugt werden. Es ist das erste interaktive Zeitzeugnis, das sich inhaltlich mit der Erfahrung des Exils beschäftigt.

Das Interview für das interaktive Zeitzeugnis von Dr. Kurt S. Maier wurde im Juli 2021 in Washington D.C. als Teil des Projekts „Aus der Vergangenheit lernen für die Gegenwart – Interaktive 3-D-Interviews mit Zeitzeug*innen des historischen Exils“ aufgezeichnet. Teil von Kurt S. Maiers Lebensgeschichte ist nicht nur die Erfahrung des Exils, sondern auch die Zwangsdeportation der badischen Jüd*innen in das französische Lager Gurs im Herbst 1940. An insgesamt fünf Tagen wurde Dr. Kurt S. Maier von Dr. Sylvia Asmus, der Leiterin des Exilarchivs, interviewt. Sein Splittervorlass wird im Deutschen Exilarchiv aufbewahrt. Im Rahmen des Projekts wird noch ein weiteres Interview zu den Erfahrungen rassistischer und antisemitischer Verfolgung sowie des Exils nach 1933 erstellt werden.

Das interaktive Zeitzeugnis ist Teil des Programmes Dimensions in TestimonySM der USC Shoah Foundation. Dimensions in TestimonySM wurde mit dem Ziel entwickelt, dass die Geschichten der Zeitzeug*innen der Shoah auch künftige Generationen erreichen. Mit eigens dafür aufgezeichneten Interviews ermöglicht Dimensions in TestimonySM, mit Zeitzeug*innen in eine Frage-Antwort-Interaktion zu treten. Diese Interaktivität ist ein integraler Bestandteil der Erfahrung von Dimensions in TestimonySM, denn die Aussage der Zeitzeug*innen wird erst dann aktiviert, wenn zuvor eine Frage gestellt wurde. Dimensions in TestimonySM ist das weltweit erste Projekt dieser Art.

Die jetzt anlaufende Testphase des interaktiven Zeitzeugnisses im Deutschen Exilarchiv wird als „Beta-Test“ bezeichnet. In dieser Phase ist das interaktive Zeitzeugnis noch nicht vollständig und das System, das später dafür sorgen wird, dass ein Dialog mit dem interaktiven Zeitzeugnis möglich ist, wird noch trainiert. Während des Beta-Tests können Schulklassen und andere interessierte Gruppen, aber auch Einzelpersonen einen ersten Blick auf das interaktive Zeitzeugnis werfen, es testen und an seiner Verbesserung mitwirken.

Perspektivisch wird das interaktive Zeitzeugnis von Kurt S. Maier im Ausstellungsbereich des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 öffentlich präsentiert. Im Zusammenspiel mit der Dauerausstellung „Exil. Erfahrung und Zeugnis“ entsteht ein interaktiver Lern- und Erfahrungsraum der es Besucher*innen ermöglicht, Themen wie Rassismus, Antisemitismus und den Verlust demokratischer Werte als konkrete, historische und zugleich gegenwärtige Bedrohung zu begreifen.

Das Projekt „Aus der Vergangenheit lernen für die Gegenwart – Interaktive 3-D-Interviews mit Zeitzeug*innen des historischen Exils“ wird gefördert durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport (HMdIS) im Rahmen des Programms „Aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ (2021) und durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Rahmen des Programms „Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus“ (2021-2024).

Hinweise zur Terminvereinbarung für Gruppen und Individualbesucher*innen unter: www.dnb.de/zeitzeugnisinteraktiv


Pressetermin am 9. Mai um 15 Uhr in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main

  • Vorstellung und exklusive Gelegenheit zur individuellen Erkundung des interaktiven Zeitzeugnisses von Kurt S. Maier.
  • Dr. Kurt S. Maier wird per Video aus den USA zugeschaltet und steht für Fragen zur Verfügung.
  • Ebenso werden Dr. Sylvia Asmus, die Leiterin des Deutschen Exilarchivs, und Karen Jungblut, Director of Global Initiatives Emerita der USC Shoah Foundation, Fragen zum Projekt beantworten.

Anmeldungen zum Pressetermin

Anmeldungen zum Pressetermin bitte an presse@dnb.de

Hintergrund

Über das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek

Das Deutsche Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek ist ein Ort der Auseinandersetzung mit den Themen Exil und Emigration während der Zeit des Nationalsozialismus. Das Archiv sammelt Zeugnisse dieses Exils: Publikationen, institutionelle und persönliche Nachlässe – berufsübergreifend und unabhängig von der Prominenz einer Person. Ziel ist es, das Phänomen des Exils in seiner ganzen Breite zu erfassen und die Bestände zugänglich zu machen.

Die Gründung des Exilarchivs in der frühen Nachkriegszeit wurde von Exilierten selbst mitinitiiert, die darin ein Instrument der politischen Aufklärung sahen. Auch deshalb hat die kulturelle Vermittlungsarbeit für das Exilarchiv einen besonderen Stellenwert: Durch Ausstellungen, ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm und Publikationen wird die Vielschichtigkeit des Exils zwischen 1933 und 1945 vermittelt und damit ein wichtiger Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur geleistet.

Über USC Shoah Foundation

Mit ihrem Visual-History-Archiv, dem preisgekrönten IWitness Education-Programm und der Forschungsarbeit des Center for Advanced Genocide Research fördert die „USC Shoah Foundation - The Institute for Visual History and Education“ Empathie, Verständnis und Respekt. USC Shoah Foundation erreicht seit nunmehr weit über zwanzig Jahren Millionen Menschen auf sechs Kontinenten von ihrem Sitz an der University of Southern California aus.

Weiterführende Informationen

Biografie Dr. Kurt S. Maier

Kurt Salomon Maier wird am 4. Mai 1930 in Kippenheim (Baden) geboren. Seine Eltern Siegfried und Charlotte Maier, geb. Auerbacher betreiben in Kippenheim ein kleines Geschäft für Stoffe, Schuhe und Kurzwaren. Sein Vater reist als Kaufmann. Zusammen mit Kurt wächst sein älterer Bruder Heinz auf.

Seit August 1938 bereitet Kurt S. Maiers Familie die Emigration in die USA vor, um der nationalsozialistischen Verfolgung zu entgehen. Nach den Novemberpogromen, in deren Verlauf es auch in Kippenheim zu antisemitische Ausschreitungen und Verwüstungen kommt, muss Kurt S. Maier die Kippenheimer Volksschule verlassen, die er seit 1936 besucht. Fortan geht er auf die Jüdische Schule in Freiburg.

Am 22. Oktober 1940 wird die Familie Maier wie sämtliche badische Jüd*innen in das Lager Gurs in den Pyrenäen deportiert. Weil sie Ausreisepapiere für die USA erhalten, kann die Familie Maier das Lager im Frühjahr 1941 verlassen. Sie gehören zu den wenigen Inhaftierten, die später nicht in die Vernichtungslager deportiert werden. Über Marseille und Casablanca emigriert die Familie Maier in die USA. Sie erreichen New York am 9. August 1941. Dort besucht Kurt S. Maier zusammen mit anderen jungen Geflüchteten eine öffentliche Schule, später eine weiterführende Schule. Durch verschiedene Jobs trägt er zum Familieneinkommen bei.

Nach seinem Militärdienst in der US Army, den er auch in Deutschland absolviert, nimmt Kurt S. Maier ein Studium der deutschen Literatur und Geschichte auf, das er 1969 mit einer Doktorarbeit abschließt. Seit 1978 bis heute arbeitet Kurt S. Maier an der Library of Congress in Washington, D.C. Für sein Engagement als Zeitzeuge der Shoah wird ihm 2010 der Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg und 2019 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Tabellarische Biografie

  • 4. Mai 1930: geboren in Kippenheim (Baden)
  • Ab 1936: Besuch der Volksschule in Kippenheim, ab 1938 der jüdischen Schule in Freiburg
  • Seit August 1938: Vorbereitungen der Familie Maier zur Emigration in die USA
  • 22. Oktober 1940: Deportation der Familie Maier ins Lager Gurs in Südfrankreich
  • Frühjahr 1941: Entlassung aus dem Lager Gurs, da die Ausreisepapiere der Familie Maier für die USA bereitliegen
  • 8. Mai 1941: die Familie Maier erhält im amerikanischen Konsulat in Marseille ihre Ausreisepapiere, kurz darauf Abfahrt mit dem Schiff von Marseille nach Casablanca
  • 7. Juni 1941: mehrwöchige Internierung im Lager Sidi el-Ajachi, ca. 80 km südwestlich von Casablanca
  • 26. Juli 1941: Abreise von Casablanca nach New York mit dem Schiff S.S. Nyassa
  • 9. August 1941: Ankunft in NY
  • Ab Herbst 1941: Besuch einer öffentlichen Schule, später einer weiterführenden Schule in New York. Verschiedene Jobs als Beitrag zum Familieneinkommen, später Tätigkeit bei der Post
  • 1947: Erhalt der amerikanischen Staatsbürgerschaft
  • 1952-1954: Dienst in der US-Army
  • 1957-1961: Studium deutsche Literatur und Geschichte in New York, 1963-1964 an der FU Berlin
  • 1967: Heirat mit Margery Teal
  • 1969. Promotion
  • Anfang 1970er-Jahre: Lehrkraft für deutsche Sprache und Literatur an verschiedenen Colleges
  • 1975-1978: Bibliothekar am Leo Baeck Institut, New York
  • Seit 1978: Bibliothekar an der Library of Congress, Washington, D.C. in der Abteilung für deutsche Geschichte und Literatur
  • 1989: Kurt S. Maier spricht erstmals in einer deutschen Schule als Zeitzeuge über seine Erlebnisse in NS-Deutschland
  • 2010: Kurt S. Maier erhält für sein Engagement als Zeitzeuge den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg
  • 2011: Veröffentlichung seiner Autobiografie „Unerwünscht. Kindheits- und Jugenderinnerungen eines jüdischen Kippenheimers“ (2. Auflage 2018)
  • 2019: Kurt S. Maier erhält für sein Engagement als Zeitzeuge der Shoah das Bundesverdienstkreuz
  • Juli 2021: Kurt S. Maier wird für Dimensions in TestimonsSM in Washington, D.C. interviewt

Informationen zur Produktion von Dimensions in TestimonySM

Zeitzeug*innen, die im Rahmen von Dimensions in Testimony befragt werden, sitzen in einer Greenscreen-Umgebung vor Kameras und einem Mikrofon. Die interviewende Person stellt Fragen. Jede Antwort wird als separater Videoclip aufgezeichnet. Es können bis zu 2.000 Fragen gestellt und beantwortet werden. So entsteht eine Datenbank aus Antworten, die durch mündlich gestellte Fragen der Endnutzer*innen abgerufen werden können. Mit Hilfe von Spracherkennungs-Technologie wandelt das Dimensions in Testimony-System die gesprochenen Fragen in Suchbegriffe um. Das System ordnet die Suchbegriffe jeweils der Antwort des Zeitzeugen oder der Zeitzeugin zu, die am besten passt. Anschließend wird der zugehörige Videoclip abgespielt, sodass der Eindruck einer Gesprächssituation entstehen kann.

Das System protokolliert alle Fragen, die gestellt werden. Um die Genauigkeit des Systems zu verbessern, überprüfen entsprechend geschulte Mitarbeitende der USC Shoah Foundation regelmäßig die Systemprotokolle, um sicherzustellen, dass für jede Frage die passendste und im ursprünglichen Interviewkontext gegebene Antwort ausgewählt wurde. Bei Bedarf setzen die Mitarbeitenden den Link zur passenden Antwort von Hand. So verbessert sich die Qualität des Systems mit jeder gestellten Frage. Die Verbesserungen werden erst nach einigen Tagen oder Wochen wirksam.

Kontakt

Ansprechpartnerin beim Deutschen Exilarchiv 1933-1945

Dr. Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933-1945
Tel.: +49 69 1525-1900
s.asmus@dnb.de

Ansprechpartnerin bei der USC Shoah Foundation

Karen Jungblut
Director Emerita of Global Initiatives, USC Shoah Foundation
jungblut@usc.edu

Bilder

Bildmaterial zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit Berichterstattung über die Ausstellung

Der Zeitzeuge Dr. Kurt Maier an seinem Wohnort Washington, D.C.

Dr. Kurt S. Maier im Studio während der Aufnahmen für das interaktive Interview.

Dr. Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek während des Interviews mit Dr. Kurt S. Maier im Juli 2021 in Washington, D.C.

Filmstill aus dem interaktiven Zeitzeugen-Interview, dessen Beta-Version aktuell im Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek präsentiert wird.

Kurt Maier im St. Mary's Park in New York, 1942.

Letzte Änderung: 03.05.2022
Kontakt: presse@dnb.de

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