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Ausstellung „Dichtung in 3D. Textskulpturen und Gedichtobjekte seit 1960“

Wechselausstellung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig
8.4.2022 bis 30.10.2022
Ausstellungseröffnung: 7. April 2022, 19 Uhr

Pressemitteilung vom 31. März 2022

Die Ausstellung „Dichtung in 3D. Textskulpturen und Gedichtobjekte seit 1960“ bietet im Deutschen Buch- und Schriftmuseum einen internationalen Überblick über die vielfältigen Erscheinungsformen dreidimensionaler Poesie. Ob Konkrete oder Akustische Poesie, ob Textfilme, Papierarbeiten oder Beispiele früher digitaler Poesie: Gezeigt werden radikale Ansätze renommierter Vertreter*innen der experimentellen Poesie, die die facettenreichen Verbindungen von linearem Text und raumgreifender Form zeigen. Mit überraschend moderner Haltung und klaren Statements zur Entgrenzung des Mediums Buch bereichern die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten den aktuellen Feuilleton-Diskurs um das sog. „Ende des Buches“.

Die 1960er Jahre waren eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche. Soziale Normen und bürgerliche Konventionen wurden genauso auf den Prüfstand gestellt wie politische Autoritäten. Bildende Künstler*innen hinterfragten tradierte Produktionsprozesse und etablierte Werkbegriffe. Aus Europa und Übersee trafen sich Künstler*innen bei Ausstellungen und auf Festivals. Avantgardistische Publikationen trugen zu einer Verbreitung von Ideen, Werken und Konzepten bei.

In der Literatur waren mit Visueller, Konkreter und Akustischer Poesie, mit Textfilmen und digitaler Poesie vergleichsweise radikale Ansätze zu verzeichnen. Großen Einfluss auf die Entwicklung der Gedichtobjekte hatten vor allem die Konkrete und Visuelle Poesie. Die neu geschaffenen Textskulpturen überwanden Grenzen zwischen den künstlerischen Disziplinen. Sie lösten den Text von der Fläche des Papiers und verleihen ihm eine räumliche Dimension. Die Dichtung in 3D stellt eine wichtige Facette der Erweiterung und Entgrenzung der Literatur dar, die in ihrer internationalen Dimension bisher nur wenig Beachtung gefunden hat.

Die rund 80 in der Ausstellung gezeigten Objekte zeigen die vielfältigen Möglichkeiten der Verbindungen von Text und skulpturaler Form. Besonders kommen Medien, Materialien und Techniken zum Einsatz, die gerade für die Literatur neu und ungewohnt sind: Transparentes Acryl ermöglicht Effekte von Überlagerungen unterschiedlicher Textebenen sowie Spiegelungen und Reflektionen. Holografien lassen Verse schweben. Fotografie und Film dienen der Aufzeichnung von ephemeren Aktionen und Performances, bei denen skulpturale Buchstaben in Stadträumen und Landschaften inszeniert werden. Mitunter wird auch der menschliche Körper zur Textskulptur. Nur wenige Objekte wie Klappkarten, deren Texte sich beim Öffnen wie die Figuren eines Pop-Up-Buchs aufstellen, erinnern noch an aufgeschlagene Bücher.

„Meditationsgünstige Objekte“ nennt der Dichter Eugen Gomringer die Werke der Konkreten Poesie. Als dreidimensionale Arbeiten erschließen sie sich oft erst durch den Wechsel von Perspektiven oder das „Begreifen“. Die Ausstellung lädt zum Nachdenken ein: Was kann ein Text jenseits von auf Papier gedruckten Zeilen sein? Welche sinnlichen Eindrücke kann das Lesen über die sprachlichen Inhalte hinaus vermitteln? Welche Rolle spielen Materialien und Techniken? Wie lässt sich die Welt mit abstrakten Zeichen beschreiben?

Gezeigt werden internationale Positionen mit Arbeiten u.a. von Alain Arias-Misson, Arman, Nanni Balestrini, Josef Bauer, John Cage, Augusto de Campos, Carlfriedrich Claus, Attila Csernik, Klaus-Peter Dencker, Peter Downsbrough, Valie Export, John Furnival, Heinz Gappmayr, Jochen Gerz, Carlos Ginzburg, Dietrich Helms, Dom Sylvester Houédard, Dieter Jung, Miroslav Klivar, Milan Knížák, Ferdinand Kriwet, Gastão de Magalhães, Franz Mon, Ewa Partum, Octavio Paz, Julio Plaza, Géza Pernecky, Gerhard Rühm, Konrad Balder Schäuffelen, Takahashi Shohashiro, Regina Silveira, Karel Trinkewitz, Timm Ulrichs, Peter Weibel.

Die Ausstellung wird kuratiert vom Litertaturwissenschaftler und Kunsthistoriker Christoph Benjamin Schulz (Wuppertal) und unterstützt durch das Zentrum für Künstlerpublikationen an der Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen.

Anlässlich der Ausstellungen „Dichtung in 3D“ im Deutschen Buch- und Schriftmuseum und der parallel stattfindenden Ausstellung „Skulpturale Poesie“ (26.3. bis 14.8.2022) im Zentrum für Künstlerpublikationen (Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen) erscheinen bei Grass Publishers die ersten fünf Ausgaben der Editionsreihe paper-poem-objects, herausgegeben von Christoph Benjamin Schulz. Die in Kooperation mit dem Deutschen Buch- und Schriftmuseum und der Weserburg, Bremen erschienene Editionsreihe ist im Museum erhältlich. Eine Publikation zu Skulpturaler Poesie ist in Vorbereitung.

Dichtung in 3D. Textskulpturen und Gedichtobjekte seit 1960
Ausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig
8. April bis 30. Oktober 2022
Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr, Donnerstag 10–20 Uhr,
Feiertage (außer montags) 10–18 Uhr.
Der Eintritt ist frei.

Informationen: www.dnb.de/dichtung3d

Hintergrund

Das Buch hat wie kein anderes Medium unsere Kultur und Zivilisation geprägt: Seit Jahrhunderten wird unser Wissen über die Welt und über den Menschen in Büchern gespeichert. Die Sammlung, Ausstellung und wissenschaftliche Bearbeitung buch- und mediengeschichtlicher Zeugnisse ist die Aufgabe des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek. 1884 als Deutsches Buchgewerbemuseum in Leipzig gegründet gilt es als das weltweit älteste und nach Umfang und Qualität der Bestände als eines der bedeutendsten Museen auf dem Gebiet der Buchkultur. Ein besonderes Augenmerk des Museums gilt auch der Frage nach Zukunft der Medien in unseren vernetzten Gesellschaften.

Kontakt

Ansprechpartnerin

Dr. Stephanie Jacobs

Tel.: +49 341 2271-575
s.jacobs@dnb.de

Bildmaterial

Bildmaterial zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der Ausstellung

Augusto de Campos / Julio Plaza: Poemobiles, 1974

Augusto de Campos / Julio Plaza: Poemobiles, 1974

© Archiv Zentrum für Künstlerpublikationen, Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen

Dom Sylvester Houédard: Frog Pond Plop, 1965

John Furnival: Object Poem, 1967

Josef Bauer: A in der Landschaft, 1968

Josef Bauer: Handalphabet, 1969

Alain Arias-Misson: Ghost Sex, 1978

Alain Arias-Misson: Ghost Sex, 1978

© Alain Arias-Misson; Foto: DNB, Christine Hartmann

Peter Downsbrough: AND / UND / AND, 2022

Peter Downsbrough: PLACE / AS, OR, TO, IF, 1990

Peter Downsbrough: PLACE / AS, OR, TO, IF, 1990

© 2021 Peter Downsbrough, image courtesy of Krakow Witkin Gallery, Boston

Konrad Balder Schäuffelen: Lettroskop, 1970, Außenansicht

Konrad Balder Schäuffelen: Lettroskop, 1970, Innenansicht

Valie Export: Sehtext: Fingergedicht, 1973

Letzte Änderung: 31.03.2022

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