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Kulturstaatsminister Neumann initiiert Aufbau des Netzwerks „Künste im Exil“ durch die Deutsche Nationalbibliothek

Pressemitteilung vom: 16.5.2012

„Künste im Exil“ wird der Name der virtuellen Ausstellung und des Netzwerks sein, das sich mit Exil und Emigration unter anderem von Schriftstellern, Filmemachern, bildenden Künstlern, Theaterschaffenden und Musikern befasst. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat jetzt für die ersten drei Jahre eine Finanzierung in Höhe von 745.000 Euro bewilligt. Die vom Deutschen Exilarchiv 1933 - 1945 der Deutschen Nationalbibliothek geplante Plattform, an deren Aufbau das Deutsche Literaturarchiv Marbach sowie weitere Partner beteiligt werden sollen, bündelt die an unterschiedlichen Orten und in wechselnden Ausstellungen stattfindende Auseinandersetzung mit dem Thema und öffnet sie so einem breiten Publikum. Die Anbindung an das Deutsche Exilarchiv 1933 - 1945 und die enge Kooperation mit dem Deutschen Literaturarchiv sichern dem Thema Exil einen festen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung. Das virtuelle Dach des Netzwerks vernetzt weitere Institutionen mit dem Museum und führt die Arbeit an verschiedenen Aspekten des Themas zusammen.

Unabhängig davon verstärkt die Deutsche Nationalbibliothek an ihrem Frankfurter Standort ihre Aktivitäten zu diesem Thema. Eine bauliche Erweiterung ermöglicht dem Deutschen Exilarchiv 1933 - 1945 eine verbesserte Präsentation seiner Bestände und eine noch intensivere Ausstellungs- und Veranstaltungstätigkeit.

„Menschen fallen aus Deutschland“, so überschrieb die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller im vergangenen Herbst einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem sie ein Museum des Exils forderte. Das verstärkte Engagement ist geeignet, ein neues, breiteres Bewusstsein für das Exil zu schaffen und so auch aktiv gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu wirken.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann erklärte dazu: „Das Thema ´Künste im Exil´ ist gerade in Deutschland mit seiner doppelten Diktaturvergangenheit von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Tausende Schriftsteller sowie Künstler aus den Bereichen Theater, Film, Fotografie, Tanz, Musik und Bildende Kunst mussten Deutschland nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verlassen. Die NS-Terrorherrschaft und die nachfolgende kommunistische Diktatur im Osten Deutschlands gehören zur Geschichte und Identität unseres Landes.“

„Das geplante Netzwerk führt die Erinnerungen an die Vertreibungsschicksale speziell von Künstlern und Künstlerinnen zusammen und bringt sie ins Bewusstsein der Gesellschaft“, betonte der Staatsminister weiter. „Das Wissen um die Schicksale der zwischen 1933 und 1945 vertriebenen Künstler soll sich mit Berichten über spätere Exile und Emigrationsbewegungen aus der ehemaligen DDR und Osteuropa verbinden. Dieses Verständnis sensibilisiert für die Situation heutiger Exilanten.“

Elisabeth Niggemann, Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek, erklärt: „Kenntnis der Vergangenheit ist wesentlich für die Ausbildung von Geschichtsbewusstsein als Pfeiler unserer demokratischen Gesellschaft. Obwohl es in Deutschland immer wieder und an unterschiedlichen Orten Ausstellungen zum Thema Exil gibt, fehlte bislang eine feste institutionelle Verankerung. Ein virtuelles Museum „Künste im Exil“ unter Federführung des Deutschen Exilarchivs 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek und in Kooperation mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach sowie mit anderen einschlägigen Sammlungen und die Verbindung zu Ausstellungen in unserem Frankfurter Haus wird dies in Zukunft leisten.“

Ulrich Raulff, der Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach, begrüßt die Kooperation, weil sie erlaube, der Erforschung und Vermittlung des Themas eine erhöhte Sichtbarkeit und gesellschaftliche Relevanz zu verleihen. „Auch Marbach - mit den Nachlässen u. a. von Alfred Döblin, Mascha Kaléko, Siegfried Kracauer, Else Lasker-Schüler, Heinrich und Thomas Mann, Kurt Pinthus und Carl Zuckmayer die weltweit bedeutendste Exilsammlung im Bereich der Literatur - wird seine Forschungs- und Vermittlungsarbeit in diesem Bereich bündeln und ausbauen. 'Exil' ist schon jetzt eines der Schwerpunktthemen im Literaturmuseum der Moderne“.

Die virtuelle Ausstellung und das Netzwerk

Die virtuelle Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema Künste im Exil in seinen verschiedenen Facetten. Die Aufbereitung wird nach den Anlässen zur Emigration fragen und den historischen Kontext aufgreifen. Sie wird nach den Aufnahmeländern fragen, nach der Wirkung der Künstler in der Emigration, nach künstlerischen Themen im Exil, nach Zusammenschlüssen, nach politischem Engagement, nach Remigration und Rezeption. Der Zugriff auf das Thema „Künste im Exil“ wird geografisch, chronologisch, biografisch und thematisch möglich sein. Anhand von Exponaten aus dem Deutschen Exilarchiv, dem Deutschen Literaturarchiv und anderen Sammlungen wird das Thema veranschaulicht. Multimediale und spielerische Aspekte, die ein junges Publikum ansprechen und Interaktion ermöglichen, werden integriert.

Wechselausstellungen sowie virtuelle Ausstellungen anderer Institutionen können hier eingebunden werden. Sie bieten die Möglichkeit, Exil und Emigration aus der zeitlichen Begrenztheit zu lösen und historische und aktuelle Exile in Beziehung zu setzen.

Außerdem werden sich Institutionen und Initiativen präsentieren, die sich mit dem Thema Künste im Exil befassen. Hinzu kommt ein Veranstaltungskalender, der einen Überblick über Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Tagungen zum Thema gibt.

Zeitplan

In diesem Jahr zeigen das Deutsche Exilarchiv 1933 – 1945 der Deutschen Nationalbibliothek und das Deutsche Literaturarchiv Marbach anlässlich des 100­jährigen Bestehens der Deutschen Nationalbibliothek die Ausstellung „Fremd bin ich den Menschen dort“, die das Exil 1933 – 1945 thematisiert. Anhand von Exponaten aus den Sammlungen wird dargestellt, was Exil und Emigration konkret bedeuteten. Die Ausstellungseröffnung wird am 29. August in Frankfurt am Main stattfinden. Begleitend stellen Marbacher Mitarbeiter in der Deutschen Nationalbibliothek in einer Veranstaltungsreihe ihre Bestände vor. Gezeigt werden 'Zeitkapseln' zu Hilde Domin und Erwin Walter Palm (12.9.), Mascha Kaléko (26.9.) und Schalom Ben Chorin (5.10.).

In der zweiten Jahreshälfte 2012 widmet sich das Deutsche Exilarchiv in einer umfassenden Ausstellung unter dem Titel „So wurde ihnen die Flucht zur Heimat“ den beiden Schriftstellern Joseph Roth und Soma Morgenstern. Diese Ausstellung wird am 6. November eröffnet und ebenfalls von einer Marbacher 'Zeitkapsel' (12.12., Tarabas. Joseph Roth und sein erster Exilroman) begleitet. Im Sommer 2013 wird die erste virtuelle Ausstellung „Künste im Exil“ freigeschaltet. Die Fertigstellung sämtlicher Module ist für das Jahresende 2014 geplant. Die bauliche Erweiterung in Frankfurt wird voraussichtlich Ende 2014 fertiggestellt sein.

Hintergrund

Die Gründung des Deutschen Exilarchivs 1933 – 1945 der Deutschen Nationalbibliothek in der frühen Nachkriegszeit wurde von exilierten Schriftstellern und Publizisten mitinitiiert. In der Gründung einer solchen Einrichtung sahen sie auch ein Instrument der politischen Aufklärung. Die ersten Bücher der Frankfurter Sammlung waren Geschenke von Emigranten. In dieser Tradition steht das Deutsche Exilarchiv bis heute. Mit seiner Sammlung von Exilpublikationen und persönlichen Nachlässen versteht es sich als Ort der Sicherung und Bewahrung von Publikationen und ungedruckten Zeugnissen der deutschsprachigen Emigration. Im Jahr 1965 trat die Frankfurter Exilsammlung mit der Ausstellung „Exilliteratur 1933 – 1945“ an die Öffentlichkeit. Die in den folgenden Jahren an mehr als 20 Orten des In- und Auslandes gezeigte Ausstellung dokumentierte alle Aspekte des Exils und trug mit dem als Hand- und Lesebuch gestalteten Katalog wesentlich dazu bei, dass sich Forschung und Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland für Fragen der Emigration und des Exils zu interessieren begannen. Mit Veranstaltungen, Ausstellungen und Führungen trägt das Deutsche Exilarchiv seither dazu bei, diese konservierte Vergangenheit aktiv zu vermitteln, erfahrbar zu machen und das durch Exil und Emigration Vergessene wieder ins kulturelle Gedächtnis zurückzuholen.

Seit seiner Gründung im Jahr 1955 versteht sich das Deutsche Literaturarchiv Marbach als Sammelstätte und Anlaufstelle für Exilliteratur und als Zentrum der Exilforschung. Die Rettung und Sammlung der durch Verfolgung und Vertreibung verstreuten Teile der deutschsprachigen Literatur war eines der Hauptanliegen des damaligen Direktors Bernhard Zeller. Der Anspruch, ein „Haus der Literatur des Exils“ zu sein, leitete auch die Kuratoren der ersten großen Marbacher Ausstellungen, mit denen die während der NS-Diktatur verbrannten und verfemten Schriftsteller in das Bewusstsein der damals noch jungen Bundesrepublik zurückgeholt wurden. Dieser Anspruch schlägt sich bis heute in der Erwerbungs­, Ausstellungs­ und Veranstaltungspolitik nieder.

Aus ihren jeweiligen Traditionen heraus unterstützen das Deutsche Exilarchiv 1933 – 1945 der Deutschen Nationalbibliothek und das Deutsche Literaturarchiv Marbach nachdrücklich Herta Müllers Forderung nach der Gründung eines Exilmuseums in Deutschland. Die bereits mit einer Ausstellung zum Thema Exil begonnene Kooperation der beiden Institutionen soll fortgeführt und intensiviert werden. Neben den Ausstellungen und Veranstaltungen in Frankfurt wird durch eine Fokussierung in der Ausstellungstätigkeit des Deutschen Literaturarchivs in Marbach ein weiterer Exilort wahrnehmbar. Die virtuelle Ausstellung als dritter Ort öffnet das Thema für weitere Institutionen und Zielgruppen. So kann die virtuelle Ausstellung auf bestehenden Archiven und Museen aufgebaut werden, ökonomisch vorhandene Strukturen nutzen und bleibt – trotz einer gebündelten, national gesteuerten und einheitlichen Sichtbarkeit – wie sein Thema dezentral und exterritorial.

Leiterin Deutsches Exilarchiv 1933 - 1945

s.asmus@dnb.de

Pressesprecher Deutsche Nationalbibliothek

s.jockel@dnb.de

Leiterin des Museums, Deutsches Literaturarchiv Marbach

heike.gfrereis@dla-marbach.de

Pressesprecherin Deutsches Literaturarchiv Marbach

alexa.hennemann@dla-marbach.de

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