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Nachrichten aus den Exilsammlungen

Ausschnitt der illustrierten Titelseite des London Diary von Lili Cassel. Ein zeichnendes Mädchen sitzt zwischen Wolken vermutlich auf einem Sperrballon zur Abwehr von Luftangriffen. Die Illustrationen sind mit Tusche und Wasserfarben gemalt.

Vorlass des Politologen John G. Stoessinger im Deutschen Exilarchiv 1933-1945

Unter den Nachlässen und Archiven, die Professor John M. Spalek innerhalb des letzten Jahres dem Deutschen Exilarchiv 1933–1945 vermittelt hat, befindet sich auch der Vorlass des Politologen und UN-Beamten John G. Stoessinger. Es handelt sich um einen nicht umfangreichen, aber inhaltsreichen Bestand, der wichtige Stationen im Leben Stoessingers und sein wissenschaftliches und publizistisches Werk dokumentiert.

John G. Stoessinger wurde am 14. Oktober 1927 in Wien als Sohn einer Familie des jüdischen Mittelstands geboren. Nach der Annexion Österreichs im März 1938 flüchtete er mit seiner Mutter zu deren Eltern nach Prag; sein Vater war nach Palästina emigriert, wo er bereits 1939 verstarb. Im März 1941 floh die Familie - die Mutter hatte sich inzwischen wiederverheiratet - aus dem besetzten Prag über die Sowjetunion und Japan (Kobe) nach Shanghai, wo Stoessinger eine englische Schule besuchen konnte. 1947 emigrierte er weiter in die Vereinigten Staaten; seine Mutter und sein Stiefvater folgten 1949. Am Grinnell College, Iowa, begann John Stoessinger mit dem Studium der Politologie und erwarb dort 1950 seinen B.A. In Harvard, wo er vor allem bei Sigmund Neumann hörte, folgte 1952 der M.A. und 1954 der Ph.D. Nach Lehrtätigkeiten, unter anderem am Massachusetts Institute of Technology, lehrte John Stoessinger von 1957 an Politische Wissenschaften am Hunter College der City University of New York, seit 1964 als Professor. 1969 leitete er das Seminar für Internationale Beziehungen an der Harvard University. Von 1967 bis 1974 war er Acting Director der Abteilung für Politische Angelegenheiten der UN; er ist Mitglied des Council on Foreign Relations. Zu seinen wissenschaftlichen und politischen Ämtern kommt eine ausgedehnte Vortragstätigkeit, auch im Rundfunk und Fernsehen. Heute lehrt Stoessinger, der in Encinitas, Kalifornien, lebt, Globale Diplomatie (Global Diplomacy) an der Universität von San Diego, Kalifornien.

John G. Stoessinger hat 10 Bücher zum Thema internationale Beziehungen veröffentlicht, darunter „The United Nations and the Superpowers (New York 1965) und Nations at Dawn: China, Russia, and America (1. Aufl. New York 1971 unter dem Titel „Nations in Darkness). Sein Buch „The Might of Nations: World Politics in Our Time“ (New York 1961) erhielt 1963 den Brancroft-Preis der Columbia University für das beste Buch des Jahres 1962 und liegt in 10. Auflage vor. Der Titel „Why Nations Go to War“ (New York 1974) ist 2007 gleichfalls in 10. Auflage erschienen.
Stoessinger wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem 1970 mit der Ehrendoktorwürde für Recht des Grinnell College, Iowa, und 2007 mit dem Ehrendoktor für Humanwissenschaften der Drury University, Springfield, Missouri.

Der dem Deutschen Exilarchiv übergebene Vorlass enthält unter anderem Lebensdokumente zu Stoessingers Exil in Shanghai, wie Schulzeugnisse der Public & Thomas Hanbury School for Boys, und zahlreiche Fotografien.
Unter den Unterlagen befinden sich auch Briefe und Dokumente des japanischen Diplomaten Ryoichi Manabe, den die Stoessingers auf der Flucht aus Prag im Transsibirien-Express kennenlernten; als japanischer Konsul in Shanghai ermöglichte er ihnen ein Leben außerhalb des jüdischen Ghettos in Hongkew, das nach Pearl Harbour errichtet wurde und unter der direkten Kontrolle des japanischen Militärs stand.
In seinem autobiografischen EssayGood Men in Dark Times: a Story of Moral Herois“ erinnert Stoessinger an Ryoichi Manabe, den er 1995 in Tokio wiedertraf, wie an Chiune Sugihara, den japanischen Konsul in Prag, der der Familie ein Transitvisum für Japan besorgt hatte und ihnen damit das Leben rettete.
Der Vorlass enthält auch Belegexemplare aller Veröffentlichungen Stoessingers, darunter die maschinenschriftliche Fassung der Dissertation von 1953, die 1956 unter dem Titel „The Refugee and the World Community“ veröffentlicht wurde.
Unter den Unterlagen befinden sich auch 13 Briefe des mit Stoessinger befreundeten früheren US-Außenministers Henry Kissinger, der gleichzeitig mit ihm in Harvard studierte und dessen Politik John Stoessinger in seinem 1976 erschienenen Buch „Henry Kissinger: the Anguish of Power“ als Politiker und Wissenschaftler untersucht hat (New York 1976).

Blätterfunktion

Inhalt des Dossiers

  1. Dr. Ruth K. Westheimer (1928–2024) – in memoriam
  2. Guy Stern (1922–2023) – in memoriam
  3. Trude Simonsohn (1921-2022) – in memoriam
  4. „Kinderemigration aus Frankfurt am Main. Geschichten der Rettung, des Verlusts und der Erinnerung"
  5. Fragebögen als Quelle zur Erforschung des deutschsprachigen Exils – Am Beispiel von Alfred Kantorowicz
  6. Professor Dr. John M. Spalek (1928-2021) in memoriam
  7. Lieselotte Maas (1937-2020) – In memoriam
  8. Ruth Klüger (1931-2020) – In memoriam
  9. „Was soll ich kochen?“ – Rezepte aus dem Deutschen Exilarchiv 1933-1945
  10. Hellmut Stern (1928-2020) – In memoriam
  11. Thomas Mann: Deutsche Hörer! – Hörstation Exil 1933-1945 vor der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt eingeweiht
  12. Ausstellungskatalog „Exil. Erfahrung und Zeugnis“ erscheint
  13. Themenschwerpunkt Exil: Das Geschichtsmagazin „Damals“ erscheint in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Exilarchiv 1933–1945
  14. Dora Schindel (1915–2018) – In memoriam
  15. Werner Berthold (1921–2017) – In memoriam
  16. Rolf Kralovitz (1925 - 2015) – In memoriam
  17. Buddy Elias – In memoriam
  18. Künste im Exil - virtuelle Ausstellung und Netzwerk
  19. Brigitte Kralovitz-Meckauer (1925–2014) – In memoriam
  20. Ludwig Werner Kahn - zum 100. Geburtstag
  21. Verleihung der Goethe-Medaille und der Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft für Exilforschung e.V. an Professor John M. Spalek
  22. „Nestor der deutschen Finanzwissenschaft“ - Fritz Neumark zum 110. Geburtstag
  23. Büchergeschenk für die Deutsche Nationalbibliothek
  24. „Als Gefangene bei Stalin und Hitler“ - Margarete Buber-Neumann zum 20. Todestag
  25. Begründer der Futurologie - Ossip K. Flechtheim zum 100. Geburtstag
  26. Zum Tod der Lyrikerin Emma Kann
  27. Nestor der Exilforschung 1933-1945 in den USA - zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. John M. Spalek
  28. Vorlass des Politologen John G. Stoessinger im Deutschen Exilarchiv 1933-1945
  29. Lili Cassel Wronker: A London Diary, 1939–1940
  30. Chronistin ihres Jahrhunderts - Anja Lundholm zum 90. Geburtstag
  31. Reichsausbürgerungskartei
  32. Das Deutsche Exilarchiv 1933–1945 erwirbt den umfangreichen Nachlass des Hethitologen Hans Gustav Güterbock (1908–2000)
  33. Geneviève Pitot: Der Mauritius-Schekel

Letzte Änderung: 06.01.2022
Kurz-URL: https://www.dnb.de/deanachrichten

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