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Leipzig: Mittwoch, 30.04.2025

Die Lesesäle im Hauptgebäude der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig schließen wegen einer Veranstaltung um 14 Uhr. Der Museums- und der Musiklesesaal sowie der Servicebereich sind bis 18 Uhr geöffnet. Die Ausstellungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums sind von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Chronistin ihres Jahrhunderts - Anja Lundholm zum 90. Geburtstag

Als Helga Erdtmann wurde sie am 28. April 1918 in Düsseldorf geboren. Ihre Mutter stammte aus einer jüdischen Bankiersfamilie aus Darmstadt; der Vater, von Beruf Apotheker, wandelte sich vom Deutschnationalen zum überzeugten Nationalsozialisten und trat 1934 der SS bei. Unter zunehmend schwierigen Bedingungen studierte die talentierte junge Frau von 1936 bis 1939 Gesang und Schauspiel in Berlin; auch erhielt sie kleine Rollen in Filmen der Ufa. 1941 konnte sie mit Hilfe gefälschter Papiere nach Italien entkommen; ihre Mutter hatte 1938 nach dem Novemberpogrom Selbstmord begangen. In Rom schloss sich Helga Erdtmann einer Widerstandsgruppe an. Kurz nach der Geburt ihrer Tochter wurde sie 1943, nicht zuletzt aufgrund der Denunziation durch ihren Vater, von der Gestapo verhaftet, zum Tode verurteilt und im Frühjahr 1944 in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert. Bei der Evakuierung des KZ-Außenlagers im April 1945 konnte sie fliehen und gelangte mit Hilfe des Roten Kreuzes nach Belgien; hier lernte sie den schwedischen Kaufmann Lundholm, ihren künftigen Ehemann, kennen. Nach ihrer Scheidung kehrte sie 1953 nach Deutschland zurück, wo sie in Frankfurt am Main als Übersetzerin und freie Schriftstellerin lebte.

Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1961 war es Anja Lundholm möglich, das erlebte Grauen in überwiegend autobiografischen Romanen schriftstellerisch zu verarbeiten, darunter „Morgen Grauen“ (1970) und „Jene Tage in Rom“ (1982). In ihrem bekanntesten Buch, dem 1988 erschienenen Roman „Das Höllentor“, beschreibt sie ihre Haft im KZ Ravensbrück.

Erst in den 1990er Jahren wurde Anja Lundholm von der Literaturkritik und der literarischen Öffentlichkeit zunehmend beachtet. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehörten der Hans-Sahl-Preis für ihr Gesamtwerk (1997) und die Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen (1998). Die Stadt Frankfurt am Main verlieh ihr 1993 die Johanna-Kirchner-Medaille und 1998 die Goetheplakette.
Damals war Anja Lundholm schon von ihrer schweren Krankheit, die sie auf ihre KZ-Haft zurückführte, gezeichnet. Am 4. August 2007 ist sie in Frankfurt am Main verstorben.

Dem Deutschen Exilarchiv 1933–1945 überließ Anja Lundholm im Jahre 1991 einen kleinen Teilnachlass, darunter Briefe bekannter Persönlichkeiten, unter anderem von Jean Améry, Walter A. Berendsohn, Hans Habe und Ephraim Kishon. Bis in ihre letzten Lebensjahre standen Kolleginnen des Deutschen Exilarchivs 1933–1945 mit ihr in telefonischer und schriftlicher Verbindung.

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