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„Als Gefangene bei Stalin und Hitler“ - Margarete Buber-Neumann zum 20. Todestag

“Ich war noch sehr jung und ich sah diese Schicksale Tag für Tag. Es war ganz natürlich, dass ich für diese Kinder tiefes Mitleid empfand [...]. Mein Mitleid verwandelte sich in tiefes soziales Schuldbewußtsein. Das war der Beginn meiner Hinwendung zum Sozialismus.“ (Aus: Margarete Buber-Neumann: Von Potsdam nach Moskau : Stationen eines Irrweges. - Stuttgart: Dt. Verl.- Anst., 1957, S. 39f.). 1920 lernte Margarete über die Wandervogelbewegung Rafael Buber, den Sohn des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber kennen. Mit ihm ging sie 1920 nach Heidelberg, wo beide dem Kommunistischen Jugendverband beitraten. 1921 wurde ihre erste Tochter, Barbara, und 1924 die Tochter Judith geboren. Die Ehe hielt nur wenige Jahre; 1925 kehrte Margarete Buber nach Potsdam zurück. 1929 folgte die Scheidung. In Potsdam trat sie 1926 in die KPD ein und seit 1928 arbeitete sie als Sekretärin bei der Komintern-Zeitschrift „Internationale Pressekorrespondenz“. Im Hause ihrer Schwester, Babette Gross, lernte sie 1929 Heinz Neumann, einen leitenden KPD- und Kominternfunktionär kennen. Gemeinsam mit ihm reist sie, nach Stationen in Spanien und der Schweiz, 1935 in die Sowjetunion ein.

In Moskau als Übersetzer für einen Komintern-Verlag für die Übersetzung der Protokolle der Schauprozesse zuständig, fiel Neumann 1937 selbst der „Stalinistischen Säuberung“ zum Opfer. Im April 1937 wurde er verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet. In Unwissenheit über das Schicksal ihres Lebensgefährten - offizielle Nachricht über den Tod Heinz Neumanns erhielt Margarete Buber-Neumann erst 1959 durch ein Schreiben des Roten Kreuzes - blieb Margarete Buber-Neumann zunächst allein in Moskau zurück, bis sie im Juni 1938 selbst verhaftet wurde. Sie wurde zur Lagerhaft verurteilt und 1939 im Lager Karaganda in Kasachstan inhaftiert, wo sie schwerste Zwangsarbeit leisten musste. Nach Abschluss des „Hitler-Stalin-Pakts“ im August 1939 wurde das Urteil der Lagerhaft in einen Ausweisungsbeschluss geändert. Gemeinsam mit 30 weiteren Personen wurde sie im Februar 1940 auf einer Grenzbrücke von Brest-Litowsk an das „Deutsche Reich“ ausgeliefert und im August 1940 in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert.

Ihre leidvollen Erfahrungen hat Margarete Buber-Neumann etwa in ihrem autobiografischen Bericht „Als Gefangene bei Stalin und Hitler“ beschrieben. Im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück lernte Margarete Buber-Neumann die tschechische Journalistin Milena Jesenská (1896–1944) - weithin bekannt als Freundin und Übersetzerin Franz Kafkas - kennen. Ihre enge Freundschaft mit Milena Jesenská schildert Margarete Buber-Neumann in ihrer 1963 erschienen Biografie „Kafkas Freundin Milena“.

Margarete Buber-Neumann wurde kurz vor der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee im April 1945 aus Ravensbrück entlassen. Von Spätherbst 1945 an - unterbrochen durch einen dreijährigen Aufenthalt in Schweden - lebte sie in Frankfurt am Main. Bekanntheit erlangte Margarete Buber-Neumann durch ihre autobiografischen Berichte und auch durch ihren Auftritt beim Krawtschenko-Prozess 1949 in Paris. Durch die Schilderung ihrer Erlebnisse im sowjetischen Lager und ihrer Auslieferung wurde sie zur wichtigsten Zeugin für den ehemaligen sowjetischen Rüstungsexperten Victor Krawtschenko, der im amerikanischen Asyl ein Buch über den stalinistischen Terror verfasst hatte und daraufhin von einer französischen kommunistischen Zeitung als Lügner und CIA-Agent diffamiert worden war.

In der Bundesrepublik Deutschland hat sich Margarete Buber-Neumann als politische Rednerin und Publizistin engagiert und sich die Warnung vor den Gefahren jeglicher totalitären Diktatur zur Lebensaufgabe gemacht. Sie nahm Teil am „Kongress für Kulturelle Freiheit“ in Berlin, leitete das „Institut für politische Erziehung“ und das „Befreiungskomitee für die Opfer totalitärer Willkür“; sie war Herausgeberin der Zeitschriften „Die Aktion“ und „Freisein“. Als Gegnerin der Ostpolitik Willy Brandts wurde sie Mitglied im „Bund freies Deutschland“. 1975 machte sie ihre parteipolitische Position durch ihren Eintritt in die CDU deutlich. Eine späte Ehrung erfuhr sie 1981 durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Am 6. November 1989 ist Margarete Buber-Neumann in Frankfurt am Main verstorben.

Der etwa 20 000 Einheiten umfassende Nachlass von Margarete Buber-Neuman wurde dem Deutschen Exilarchiv 1933–1945 auf Empfehlung des Politologen Iring Fetscher von den beiden Töchtern Judith Buber-Agassi und Barbara Goldschmidt 1989 übergeben. Enthalten sind die Manuskripte aller Bücher sowie die Drehbücher ihrer Fernsehfilme „Max Hölz“ und „Als Gefangene bei Stalin und Hitler“, die Manuskripte beziehungsweise Typoskripte ihrer Vorträge und Aufsätze. Überliefert ist auch die gesamte Korrespondenz seit den Nachkriegsjahren, Briefe von Max Brod, Ruth Fischer, Willy Haas, Kurt Hiller, Arthur Koestler, William S. Schlamm, außerdem Briefe aus Ravensbrück, zahlreiche Lebensdokumente und Fotos. Zum Nachlass gehört auch die umfangreiche Arbeitsbibliothek zur osteuropäischen Zeitgeschichte und Politik.

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