Provenienzrecherchen
Projektbeschreibung
Die Deutsche Nationalbibliothek sucht in ihren Beständen systematisch nach NS-Raubgut. Im Mittelpunkt des 2018 bis 2020 durchgeführten Projekts Provenienzrecherchen standen dabei die ab 1933 nicht als Pflicht- beziehungsweise Belegexemplare inventarisierten Serientitel und Schriftenreihen.
Foto: Stefan Hoyer/PUNCTUM
Die Verzeichnung in Zugangsbüchern beziehungsweise auf Fortsetzungszetteln ist für diesen Bestand nur unzureichend. Rund 199.500 Bände sollten daher am Regal per Autopsie überprüft werden.
Projektergebnisse
Im Projektzeitraum konnten 15.256 Exemplare auf das Vorhandensein von Provenienzmerkmalen geprüft werden. Als Merkmal gelten alle ins Buch eingebrachten Vermerke, Striche, Datumsangaben, Namenskürzel oder Autogramme, Ex-Libris, Widmungen und ähnliches. In etwa 60% der durchgesehenen Titel wurden Merkmale gefunden, zum Teil sind in den Exemplaren mehrere Hinweise vorhanden, darunter auch viele Doppelungen. Insgesamt wurden bisher im Rahmen der Projektarbeit etwa 11.000 Provenienzmerkmale verzeichnet.
Abzüglich der als DNB-interne Vermerke erforschten oder bereits bekannten Merkmale müssen jetzt weitere ca. 100 Merkmale erforscht werden. Dabei handelt es sich um 18 Personennamen und etwa 80 noch unklare Kennzeichnungen.
Alle aufgefundenen Merkmale werden auch über das Projektende hinaus im Katalog verzeichnet und die Recherchen zu den Personen fortgesetzt.
Die Provenienz „Dr. Curt Otto“
Ein weiteres Ergebnis des Projekts ist die Aufklärung der Provenienz „Dr. Curt Otto“.
Foto: DNB, Cornelia Ranft
Diese Provenienz konnte nach einigen Archivrecherchen als unbedenklich identifiziert werden.
Im Jahr 1930 stiftete der Bruder und Jurist Dr. Hans Otto die umfangreiche Sammlung seines verstorbenen Bruders, dem Leipziger Verleger Dr. Curt Otto, an die Bibliothek. Dabei handelte es sich um 4.378 Bände aus der rund 5.300 Bände umfassenden Tauchnitz Edition.
Die Bücherverwertungsstelle Wien
Foto: DNB, Cornelia Ranft
Im Katalog sind auch Buchbestände aus der sogenannten „Bücherverwertungsstelle Wien“ verzeichnet. Obwohl die damalige Deutsche Bücherei ihre Bestände hauptsächlich durch Pflicht- und freiwillige Belegexemplare aufbaute, sind andere Zugangswege für Bestandsergänzung, Lückenschließung oder Ersatzbeschaffung bekannt.
So baute der damalige Leiter der Erwerbungsabteilung in der Deutschen Bücherei im Auftrag des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda 1938/1939 eine „Bücherverwertungsstelle Wien“ auf. Diese organisierte die systematische Plünderung jüdischer Verlage, Buchhandlungen und Privatbibliotheken und sollte als Verteiler der geraubten Bücher an Bibliotheken und Museen in Deutschland fungieren. Bisher konnten rund 500 Bände identifiziert werden, die aus dieser Quelle in die Deutsche Bücherei gelangten.
Foto: DNB, Cornelia Ranft
Auf Grundlage der gefundenen Provenienzhinweise erfolgen weitere Recherchen nach den Eigentümer*innen beziehungsweise deren Rechtsnachfolger*innen. Dabei strebt die Deutsche Nationalbibliothek eine schnelle Restitution an. Aktuell sind Restitutionen in Vorbereitung.
Projektrahmen
Laufzeit
2. Januar 2018 bis 31. Dezember 2020
Weiterführende Informationen
Die Deutsche Nationalbibliothek orientiert sich an der Verpflichtung, die alle öffentlichen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 1999 in einer gemeinsamen „Erklärung zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ eingegangen sind.
Die Lost Art-Datenbank erfasst Kulturgüter, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verbracht, verlagert oder – insbesondere ihren jüdischen Eigentümern – verfolgungsbedingt entzogen wurden. Die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste betreibt die Datenbank. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet schon knapp 600 Fundmeldungen in der Lost Art-Datenbank. Diese werden laufend aktualisiert.
Kontakt
Cornelia Ranft
provenienz@dnb.de
Letzte Änderung:
10.09.2021